Einzelne Forschungsvorhaben
Im Handlungsschwerpunkt 3 laufen verschiedene Forschungsprojekte (Dissertations- und PostDoc-Projekte).
Perspektivenverschränkung von Mathematikdidaktik und Sonderpädagogik als Beitrag zur Lehrerbildung für einen inklusiven Mathematikunterricht
Im Rahmen der schulischen Inklusion erweitern sich die Diversität der Lerngruppen und damit die Anforderungen an die Lehrkräfte. Die Kooperation von Sonderpädagogik und Fachdidaktik stellt dabei eine zentrale Gelingensbedingung für eine wirksame inklusive Bildung dar. Daraus ergibt sich die Relevanz von Lerngelegenheiten in der Lehramtsausbildung, die für einen Umgang mit Diversität sensibilisieren und die Zusammenarbeit von Lehramtsstudierenden der Sonderpädagogik und der Regelschullehrämter ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund wurde ein Seminarkonzept entwickelt, das Lehramtsstudierende für einen inklusiven Mathematikunterricht vorbereitet. Sowohl auf Studierendenebene als auch auf DozentInebene verfolgt das Seminar ein Zusammenwirken von Sonderpädagogik und Mathematikdidaktik. Das Konzept bezieht eine Perspektivenschärfung eine -verschränkung, in Form von Fallarbeit in interdisziplinären Studierendentandems, mit ein. Die Durchführung des Seminars erfolgt in Zusammenarbeit mit Dr. Steffen Siegemund, der die Überzeugungen der Studierenden zur Kooperation untersucht. Im Zuge des Dissertationsprojekts von Anna-Sophia Bock wird die Frage verfolgt, inwiefern sich die beliefs und die situationsspezifischen Fähigkeiten bezüglich eines inklusiven Mathematikunterrichts der beiden Studierendengruppen während der Teilnahme an dem entwickelten Seminar verändern.
Veränderung von Reflexionskompetenz bei Lehramtsstudierenden durch Forschendes Lernen in der inklusiven Unterrichtspraxis - Katharina Kuckuck
Der Umgang mit Heterogenität stellt aktuell eine der größten Herausforderungen an den Lehrerberuf dar (vgl. Herzmann & König 2016). Aus diesem Grunde steht im Bereich der Ausbildung von Lehrpersonen die Frage im Raum, wie künftige Lehrpersonen vor diesem Hintergrund auf die zu erwartenden Herausforderungen im Unterrichtsalltag vorbereitet werden können. Die Professionalisierung für den Umgang mit Heterogenität in der schulischen Praxis wird deswegen bereits im Hochschulstudium angestrebt, um angehende Lehrpersonen für dieses komplexe Berufsfeld auszubilden. Durch Ausbildung eines „analytischen Habitus“ werden angehende Lehrpersonen dazu befähigt, die „Handlungspraxis regelmäßig zu analysieren, zu evaluieren und gegebenenfalls zu verändern“ (Neuweg 2005, S. 220).
Eine solche reflexive Auseinandersetzung mit der Berufspraxis wird im hochschuldidaktischen Lernformat des Forschenden Lernens angestrebt. Denn innerhalb dieses Lernformats gestalten und erfahren Studierende einen Forschungsprozess, wobei sie wesentliche Phasen reflektieren (vgl. Huber 2009; Fichten & Meyer 2014; Herzmann & König 2016).
Der zu durchlaufende Forschungsprozess kann eine forschende Auseinandersetzung mit Fragestellungen aus der schulischen Praxis anregen und zu einer Relationierung von Praxiswissen und wissenschaftlichem Wissen führen. Das Promotionsprojekt geht unter anderem der Frage nach, inwiefern sich die Reflexionskompetenz im Seminarformat des Forschenden Lernens bei Lehramtsstudierenden verändert und inwieweit spezifische Reflexionsmodi zu Inklusion bei Gruppen von Studierenden erkennbar werden. Hierzu werden Vignetten im Prä-Post-Design eingesetzt, die mit der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet werden.
Das Vorhaben dient der Entwicklung von Anregungen für die didaktische Ausgestaltung von universitärer Lehre zu inklusiver Unterrichtspraxis, die Reflexionen im Lernformat des forschenden Lernens anzubahnen vermag.
Literatur
Fichten, W. & Meyer, H. (2014). Skizze einer Theorie forschenden Lernens in der Lehrer_innenbildung. In E. Feyerer et al. (Hrsg.). Last oder Lust? Forschung und Lehrer_innenbildung (S. 11-42). Münster / New York / München / Berlin: Waxmann Verlag.
Herzmann, P. & König, J. (2016). Lehrerberuf und Lehrerbildung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt Verlag.
Huber, L. (2009). Warum forschendes Lernen nötig und möglich ist. In L. Huber; J. Hellmer & F. Schneider (Hrsg.). Forschendes Lernen im Studium (S. 9-35). Bielefeld: Universitätsverlag Webler.
Neuweg, H. G. (2005). Emergenzbedingungen pädagogischer Könnerschaft. In H. Heid & C. Harteis (Hrsg.). Verwertbarkeit. Ein Qualitätskriterium (erziehungs-)wissenschaftlichen Wissens? (S. 205-227). Wiesbaden: VS Verlag.
Inklusiven Geschichtsunterricht denken lernen - eine qualitativ-experimentelle Studie zur Professionalisierung angehender Geschichtslehrkräfte für Inklusion - Patrizia Seidl (ehemalige Mitarbeiterin bis 07/2017)
Patrizia Seidl untersucht in ihrem Promotionsvorhaben die Vermittlung von Inklusion im Geschichtsunterricht. Eine Fragestellung lautet, inwiefern Geschichtslehramtsstudierende der Regellehrämter und der Sonderpädagogik eine professionelle Unterrichtswahrnehmung für Ausprägungen von und Gelegenheiten für historisches Denken und Lernen entwickeln und ob die Studierenden daraus anschließend Ansätze zur Planung für einen inklusiven Geschichtsunterricht ableiten können.
Dazu wird zur Erhebung eine authentische Videovignette im Prä-/Post-Verfahren eingesetzt und im Seminar gezielt interdisziplinär mit den Studierenden und kooperierenden Lehrkräften an diversen Fallbeispielen und historischen Lernaufgaben aus Geschichtsunterricht gelernt.
Intention des Vorhabens ist es, durch den Einsatz der Videovignette und unterschiedliche Fallbeispiele gezielt die geschichtsdidaktische Wahrnehmung der Studierenden für Prozesse historischen Lernens weiterzuentwickeln. Insbesondere in sehr heterogenen Klassen erscheint eine fachdidaktische Wahrnehmung für Lernstände und Entwicklungspotenziale von Schülerinnen und Schülern unablässig, um gezielt einen gemeinsamen Fachunterricht für alle Schülerinnen und Schüler zu initiieren, der gleichermaßen und unterstützt von der Lehrkraft fördert und fordert.
Philosophieren mit Kindern im inklusiven Sachunterricht: Chancen, Herausforderungen und Perspektiven für die Professionalisierung von Lehrkräften - Katja Sellin (geb. Krumbeck) (ehemalige Mitarbeiterin bis 06/2018)
Zusammenfassung des Dissertationsvorhabens
In der aktuellen Inklusionsdebatte hat Deutschland sich dazu verpflichtet ein “inclusive education system at all levels“ zu etablieren (UN 2009, Art. 24). Die Lehrerbildung muss darauf reagieren, um Inklusion als bildungspolitische Vorgabe zu realisieren. Dabei ist Inklusion als Querschnittsaufgabe zu verstehen (u.a. Lindemeier & Lütje-Klose, 2015). Auch in der sachunterrichtlichen Lehrerinnenbildung muss auf die Herausforderungen des Lehrens und Lernens in inklusiven Lernsettings eingegangen und auf gemeinsames Lernen vorbereitet werden. Allerdings müssen die inklusive Didaktik im Allgemeinen und Konzeptionen inklusiver Fachdidaktiken bislang noch als Desiderate bezeichnet werden (vgl. Laubner 2009).
Das Promotionsvorhaben verfolgt das Ziel, Chancen und Grenzen des Philosophierens mit Kindern als Unterrichtsprinzip für das Lernen in inklusiven Lernsettings zu untersuchen. Für die Entwicklung von Konzepten für die Lehrer/innenaus- und fortbildung werden u.a. Erfahrungen von Lehrkräften zu inklusivem (Sach-) Unterricht und zum Philosophieren mit Kindern erhoben und ausgewertet. Das Forschungsvorhaben ist im Projekt ProfaLe (Professionelles Lehrerhandeln zur Förderung fachlichen Lernens unter sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen, Qualitätsoffensive Lehrerbildung) verankert (vgl. hierzu www.profale.uni-hamburg.de).
Begleitforschung zum HF 3 – Emotionale und kognitive Repräsentation der Thematik „Inklusion“ auf Seiten der Studierenden (in Zusammenarbeit mit Tanja Sczepanski, Katja Sellin und Jörg Doll) - Steffen Siegemund (ehemaliger Mitarbeiter bis 04/2018)
Das Ausmaß der Implementierung inklusiver Perspektiven in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung an der Universität Hamburg als Querschnittsaufgabe kann anhand verschiedener Indikatoren erfasst werden. Neben der Anzahl der spezifischen Angebote, ihrer Nutzung, der Umgestaltung der Curricula und der Messung fachspezifischer Kompetenzen zum Umgang mit Heterogenität stellt auf Seiten der Studierenden auch das Ausmaß der Repräsentation der Thematik in ihrem Denken und Fühlen einen wichtigen Indikator dar.
Im Rahmen der Begleitforschung zum Handlungsfeld Inklusion stehen u.a. in dem hier beschriebenen Forschungsprojekt die Auswahl, Weiterentwicklung oder je nach Bedarf die Neuentwicklung von Skalen zu den folgenden Komponenten im Fokus:
- Kognitive und affektive Komponenten der allgemeinen Einstellung zur schulischen Inklusion
- Die Selbstwirksamkeitserwartung im Hinblick auf inklusive Lehr- und Lernsettings
- Die Studienmotivation zur Beschäftigung mit inklusiven Inhalten
- Überzeugungen zur Zusammenarbeit von Fachlehrerinnen und -lehrern und Sonderpädagoginnen und -pädagogen im inklusiven Unterricht
Im Bereich der Hintergrundvariablen werden u.a. die Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen, SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf und mit inklusivem Unterricht erhoben. Bereits im SoSe 2016 wurden erste Daten mit Hilfe eines Online-Fragenbogens erhoben. Auf Grundlage der statistischen Auswertung (Mittelwertsvergleiche, explorative und konfirmatorische Faktorenanalysen etc.) wurden die vorliegenden Skalen neu bewertet und in mehreren Schleifen überarbeitet und neu erprobt. Eine vollständige Neuentwicklung stellen die Skalen zur Studienmotivation und zur Zusammenarbeit der Lehrkräfte dar, die ergänzend mit der Methode des lauten Denkens erprobt und an kleineren Stichproben als Fragebogenerhebung eingesetzt wurden. Die genannten Skalen werden zukünftig eingesetzt für Gruppenvergleiche im Querschnitt, z.B. zwischen Studierenden verschiedener Lehrämter, so dass wichtige Aussagen über die Sensibilität der Studierenden in verschiedenen Modulen bzw. verschiedenen Seminaren gegenüber der Thematik erbracht werden können. Längsschnittstudien sollen darüber hinaus wichtige Hinweise dafür erbringen, in welchen Studienphasen sich die genannten Komponenten psychischer und emotionaler Repräsentation der Thematik besonders entwickeln und welchen Beitrag das Studium an der Universität Hamburg und die verschiedenen außeruniversitären Erfahrungen erbringen. Erste Erhebungen im Prä-Post-Design wurden ebenfalls bereits durchgeführt und sollen auch weiterhin erhoben werden, um die Effekte einzelner Veranstaltungen abschätzen zu können.
Kooperation von Fachdidaktik auf Seiten der Lehrenden und der Studierenden (In Zusammenarbeit mit Anna-Sophia Bock) - Steffen Siegemund (ehemaliger Mitarbeiter bis 04/2018)
Der Unterricht in inklusiven Schulklassen fordert von Lehrkräften neben dem Umgang mit einer besonders großen Heterogenität auf Seiten der SuS auch eine verstärkte Kooperation der Lehrkräfte untereinander und mit anderen Berufsgruppen und zwar im Vollzug des Unterrichts. Das hier beschriebene Forschungsprojekt greift das Anliegen des Handlungsfeldes Inklusion nach einer notwendigen Perspektivenverschränkung der verschiedenen beteiligten erziehungswissenschaftlichen Disziplinen auf und setzt die Verschränkung von Fachdidaktik Mathematik und Sonderpädagogik in Form konkreter Arbeitsbeziehungen, d.h. gemeinsamen Lehrveranstaltungen, um. Im Vorbereitungsseminar wurden/werden zunächst in getrennten Seminaren entweder sonderpädagogische oder fachdidaktische Aspekte des inklusiven Mathematikunterrichts thematisiert.
In der zweiten Phase des Vorbereitungsseminars bereiten sich die Studierenden in gemischten Tandems (aus den verschiedenen Lehrämtern) in Form kooperativer Fallarbeit mit authentischen Unterrichtssituationen auf ihr Praktikum vor. Im Praktikum selbst unterrichten die Studierenden im Form von Team-teaching gemeinsam in einer Grundschulklasse Mathematik. Ein Teil der Evaluation dieses Konzeptes leistet Anna-Sophia Bock in ihrer Dissertation (LINK). Reflexionsberichte der Studierenden zu ihren Kooperationserfahrungen und audiographierte Gruppeninterviews aus dem Nachbereitungsseminar versprechen tiefere Einblick in die Erfahrungen und Überzeugungen der Studierenden zur Zusammenarbeit von SonderpädagogInnen und FachlehrerInnen im inklusiven Unterricht.
Poster