Einzelne Forschungsvorhaben
Im Handlungsschwerpunkt 2 laufen verschiedene Forschungsprojekte (Dissertations- und PostDoc-Projekte).
Entwicklung fachspezifischer Schriftsprachlichkeit im und durch den (Fach-)Unterricht - Patrick Grommes (ehemaliger Mitarbeiter bis 04/2018)
Zur Erforschung dieser Fragestellung werden einerseits Schriftprodukte von Schülerinnen und Schülern mit heterogenem sprachlichen Hintergrund untersucht. Schriftprodukte umfassen dabei kurze schriftliche Aufgabenbearbeitungen ebenso wie an Textsortenanforderungen orientierte, eigenständige längere Texte.
Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, welche Rolle Schriftsprachlichkeit im mündlichen Sprachgebrauch in der Schule spielt. Dabei wird davon ausgegangen, dass in der schulischen, bzw. unterrichtlichen Interaktion Möglichkeiten zur Anbahnung von Schriftsprachlichkeit angelegt sind, die aber (noch) nicht systematisch genutzt werden. Das liegt vermutlich u.a. daran, dass Lehrpersonen dieses Potential der unterrichtlichen Interaktion nicht bewusst ist. Hier geht es darum, dieses Potential systematisch zu erfassen und didaktisch nutzbar zu machen. Parallel dazu ist festzustellen, dass in der unterrichtlichen Interaktion verdeckte sprachliche Anforderungen an Schülerinnen und Schüler gestellt werden, die allen an der Interaktion Beteiligten nicht bewusst sind.
Analog zur Diskussion um die Bildungssprache gilt es, diese Anforderungen herauszuarbeiten und einer didaktischen Bearbeitung zugänglich zu machen. Das bisher Gesagte ist dabei nicht etwa auf sprachliche Fächer beschränkt zu verstehen. Vielmehr sind die spezifischen schriftsprachlichen, aber auch die auf die mündliche Interaktion bezogenen Konventionen und besonderen sprachlichen Mittel der einzelnen Fächer zu berücksichtigen.
Eine sich anschließende Detailfrage ist die nach der Funktion gesprochen-sprachlicher Elemente in schriftlichen Produkten von (mehrsprachigen) Schülerinnen und Schülern. Eine Vermutung ist, dass Elemente mündlicher Sprachverwendung in schriftlichen Produkten Ausdruck von Ausweichstrategien bei nicht hinreichend ausgebauten schriftsprachlichen Kompetenzen sind. In diesem Sinne wären sie ggf. diagnostisch nutzbar. Erste Überlegungen und empirische Beobachtungen dazu finden sich in Grommes (i.Dr.). Exemplarische Überlegungen dazu, wie sich schulische Anforderungen auf die Textproduktion von Schülerinnen und Schülern– in diesem Fall Lernenden im Berufsvorbereitenden Jahr für Migrantinnen und Migranten – auswirken, finden sich in Grommes (2013).
Referenzen
Grommes, Patrick (i.Dr.). Entwicklung der Redewiedergabe in Erzählungen mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler. In Schmölzer-Eibinger, Sabine; Akbulut, Muhammed & Rotter, Daniela Rotter (Hrsg.), Erzählen in der Zweitsprache. Stuttgart: Fillibach bei Klett, 35-52.
Grommes, Patrick (2013): ‚Examining linguistic skills of migrant students in the German vocational education system’, in Managing Diversity in Education: Key Issues and Some Responses herausgegeben von David Little, Constant Leung und Piet van Avermaet, Clevedon: Multilingual Matters, 134-148.
Forschungen zu Kompetenzzuwächsen von Lehramtsstudierenden - Tobias Schroedler
Im Kontext des Projekts ‚ProfaLe‘ arbeitet Tobias Schroedler gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen des Handlungsfelds 2 im Bereich der Kompetenzentwicklung angehender Lehrkräfte im Umgang mit sprachlich-kultureller Heterogenität. Das hiesige Forschungsvorhaben richtet sich an den Kompetenzzuwachs von Lehramtsstudierenden im Bereich Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit, welche durch die ProfaLe Lehrveranstaltungen erreicht werden soll.
Die vernetzten Lerngelegenheiten werden evaluiert und die Kompetenzentwicklung im Prä-Post Design mit Hilfe des DaZKom-Tests näher untersucht. Dieser Test basiert auf einem Kompetenzmodell für angehende (Fach-)Lehrerinnen und -lehrern, in welchem theoretisch abgeleitete Dimensionen hinsichtlich Mehrsprachigkeit in der Schule abgleitet werden. Hierzu werden neben dem relevanten Handlungswissen auch Einstellungen und Überzeugungen zur Mehrsprachigkeit sowie eine Reihe relevanter Hintergrundinformationen abgefragt. Ziel soll es sein, mögliche Prädiktoren für DaZ-Kompetenz zu finden und zu analysieren welche Rolle universitäre Lerngelegenheiten und insbesondere interdisziplinäre Zugänge bei der Sensibilisierung und beim Kompetenzaufbau spielen.
Literatur
Hammer, S., Fischer, N. und Koch-Priewe, B. 2016. Überzeugungen von Lehramtsstudierenden zu Mehrsprachigkeit in der Schule. DDS – Die Deutsche Schule, Beiheft 13, S. 147-171.
Sprachbewusstes historisches Lernen im Sachunterricht - Entwicklung eines Seminarkonzeptes auf der Grundlage fallanalytischer Studien - Nina Weißenborn
In jedem Fachunterricht werden Lerninhalte durch Sprache vermittelt und erworben (z.B. Präsentation, Beschreibung und Erklärung von Sachverhalten) (vgl. Michalak et al. 2015). Sprache ist somit in jedem Fach das wichtigste Medium und nicht von der Fachlichkeit zu trennen, denn „Kompetenzerwerb ist im Fachunterricht immer sprachlich verankert“ (Schmölzer-Eibinger et al. 2013). Deshalb ist es eine Aufgabe jeden Fachunterrichts die sprachliche Heterogenität der Schülerschaft, im Sinne eines sprachbewussten Fachunterrichts, zu berücksichtigen (vgl. z.B. Kniffka/Siebert-Ott 2012, Leisen 2010), so auch im Sachunterricht der Grundschule.
Historisches Lernen im Sachunterricht findet in der Grundschule aufgrund überkommener entwicklungspsychologischer Zuschreibungen kaum statt und so ist die Verbindung von historischem Lernen und Sprachbildung, sowohl im Sachunterricht als auch in der Geschichtsdidaktik ein bisher wenig beachtetes Forschungsfeld. Im Rahmen eines Dissertationsprojektes wurde zu dieser Thematik ein Seminar entwickelt, welches den Zusammenhang von Sprachhandlung und historischen Lernprozessen beinhaltet und dabei die gleichrangige Berücksichtigung sprachlicher Voraussetzungen und sprachgebundener Lernprozesse Lernender zum Ziel hat. Auf der Grundlage von im Prä- und Postdesign durchgeführten Interviews und von Lerntagebüchern wird dieses Seminar ausgewertet, um zu untersuchen, ob und wie sich durch das Seminar (mit Praxisanteil) die Vorstellungen der StudentInnen von der Notwendigkeit von Sprachbildung im historischen Sachunterricht verändert haben und wie eine methodisch-didaktische Umsetzung eines sprachsensiblen historischen Lernens stattgefunden hat.
Literatur
- Kniffka, G./ Siebert-Ott, G. (2012): Deutsch als Zweitsprache. Lehren und Lernen. Paderborn, 3.aktualisierte Auflage.
- Leisen, J. (2010): Handbuch Sprachförderung im Fach. Sprachsensibler Fachunterricht in der Praxis. Bonn.
- Michalak, M./Lemke, V./Goeke, M. (2015): Sprache im Fachunterricht. Eine Einführung in Deutsch als Zweitsprache und sprachbewussten Unterricht. Tübingen.
- Schmölzer-Eibinger, S./Dorner, M./Langer, E./Helten-Pacher, M.-R. (2013): Handbuch Sprachförderung im Fachunterricht in sprachlich heterogenen Klassen. Graz.
- Handro, Saskia (2016): Geschichtsdidaktik in Diskussion. Frankfurt am Main.
Sensibilisierung von Mathematiklehramtsstudierenden für sprachliche Aspekte beim fachlichen Lernen und Lehren - Nadine Krosanke
Nationale und internationale empirische Studien (PISA, TIMSS, IGLU, ZPM10-Studie, etc.) zeigen wiederholt den Einfluss sprachlicher Kompetenz auf die Mathematikleistung von Lernenden (u.a. Duarte et al.). Viele Lernende mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Elternhäusern erwerben zwar alltagssprachliche Kompetenzen, aber zu geringe bildungssprachliche Kompetenzen (Gogolin et al. 2013). Dabei stellt Mathematikunterricht hohe sprachliche Anforderungen an Lernenden. Sie sollen verschiedene Sprachen (Alltags-, Bildungs- und Fachsprache) - bezogen auf jeweils unterschiedliche Darstellungsebenen - verstehen, sprechen und schreiben (Meyer und Prediger 2012). Sprache hat somit im Mathematikunterricht eine kognitive und kommunikative Funktion (Maier und Schweiger 1999). Der Aufbau bildungssprachlicher Kompetenzen ist bereits Aufgabe von Mathematiklehrkräften in Hamburg (BSB 2011, Bildungsplan Mathematik). Aber: Studierende des Mathematiklehramts an der Universität Hamburg werden derzeit nicht verpflichtend und nicht fachspezifisch dafür ausgebildet sprachliches und fachliches Lernen zugleich zu ermöglichen.
Die Studie untersucht welche sprachlichen Aspekte zukünftige Mathematiklehrkräfte wahrnehmen, inwiefern die Wahrnehmung dieser mit den Beliefs zur Rolle von Sprache im Mathematikunterricht zusammenhängt und inwiefern entwickelte Lerngelegenheiten während des und begleitend zum Kernpraktikum zu einer Förderung der Kompetenz in diesem Bereich führen. Die Datenerhebung und -auswertung erfolgt hauptsächlich im Rahmen qualitativer Forschungsmethoden.
Literatur
- Duarte, J., Gogolin, I., Kaiser, G. (2011): Sprachlich bedingte Schwierigkeiten von mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern bei Textaufgaben. In: S. Prediger, E. Özdil (Hrsg.): Mathematiklernen unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit. Stand und Perspektiven der Forschung und Entwicklung in Deutschland. Münster: Waxmann, 35-54.
- Gogolin, I., Lange, I., Michel, U., Reich, H. H. (Hrsg.) (2013): Herausforderung Bildungssprache – und wie man sie meistert. Münster: Waxmann.
- Maier, H., Schweiger, F. (1999): Mathematik und Sprache. Wien: Öbv & hpt.
- Meyer, M., Prediger, S. (2012): Sprachenvielfalt im Mathematikunterricht – Herausforderungen, Chancen und Förderansätze. In: Praxis der Mathematik 54(45), 2-9.
Wissen über Sprache und Selbstwirksamkeitswahrnehmung angehender Lehrkräfte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer - Ilse Stangen
Dieses Dissertationsprojekt beschäftigt sich mich mit der Frage, ob die Fähigkeit mit sprachlicher Heterogenität/Deutsch als Zweitsprache (DaZ) im Unterricht kompetent umzugehen eine generische Kompetenz von Lehrkräften aller Fächer ist, oder ob fachspezifische Besonderheiten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer (hier: Physik, Biologie, Chemie und Mathematik) eine spezielle Form von DaZ-Kompetenz erfordern. Zudem wird untersucht, ob sich die Selbstwirksamkeitswahrnehmung angehender Lehrkräfte der Fächer Physik, Biologie, Chemie und Mathematik im Hinblick auf sprachliche Heterogenität von denen anderer Fächer unterscheidet.
Zur Bearbeitung dieser Frage werden – angelehnt an den DaZKom-Test (Hammer et al. 2015), der mit mathematischen Items arbeitet und dessen Autoren eine generische DaZ-Kompetenz postulieren – fachspezifische Items für die Fächer Physik, Biologie, Chemie und Mathematik konstruiert. Zusätzlich wird ein Fragebogen zur Selbstwirksamkeit im Hinblick auf das Unterrichten von Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache entwickelt und eingesetzt.
Ziel der Itemkonstruktion ist es, Aspekte zu generieren die angehende Physik-, Biologie-, Chemie- und Mathematik-Lehrkräfte im Hinblick auf DaZ-Lernende besonders berücksichtigen müssen, damit sprachlich schwache SuS (mit und ohne DaZ) nicht aufgrund sprachlicher Hindernisse im Fachunterricht abgehängt werden. Der Fragebogen zur Selbstwirksamkeit soll helfen zu verstehen, ob und warum sich angehende Lehrkräfte der Fächer Physik, Biologie, Chemie und Mathematik für weniger kompetent im Hinblick auf den Umgang mit sprachlicher Heterogenität erachten und ob es einen Zusammenhang mit einem zweiten nicht- mathematisch-naturwissenschaftlichen Fach gibt.
Perspektiven von Physiklehramtsstudierenden auf Rolle der Sprache und sprachliche Heterogenität im Physikunterricht - Nadezda Strunk
In der Physikdidaktik ist unumstritten, dass Sprache eine besondere Rolle im Unterricht zukommt (Härtig 2015). Sie ist eine Voraussetzung für gelungenen Unterricht, ein Gegenstand des Unterrichts und das Lernmedium zugleich (Prediger 2013). Allerdings, da sich angehende Physiklehrerinnen und -lehrer oftmals für ein nicht-sprachliches Zweitfach entscheiden, verfügen diese über wenig akademisches Wissen über Sprache bzw. sind für sprachliche Aspekte des Unterrichts kaum sensibilisiert (Tajmel 2013; Prediger 2015). Ein naheliegender Lösungsansatz für diese Problematik ist, Lehrangebote für Studierende anzubieten, deren Schwerpunkt die Verbindung zwischen fachlichen und sprachlichen Lerngelegenheiten im Fachunterricht ist. Das Gelingen eines solchen Ansatzes hängt allerdings entscheidend davon ab, ob die entsprechenden Lehrangebote den Bedürfnissen der Studierenden zugeschnitten sind. Insbesondere die Vorstellungen von Studierenden auf Rolle der Sprache und sprachliche Heterogenität im Physikunterricht erscheinen hierbei maßgeblich zu sein (Reusser et al. 2011). Diese Vorstellungen bzw. Perspektiven sind bis dato allerdings weitgehend unbekannt. Das Ziel des Projekts ist daher, die Perspektiven von Lehramtsstudierenden auf die Rolle der Sprache im Physikunterricht sowie den Umgang mit sprachlicher Heterogenität zu explorieren. Hierzu werden mit Lehramtsstudierenden problemzentrierte Interviews (Witzel 2000) geführt und diese anschließend dokumentarisch analysiert.
Literatur
- Härtig, H.; Bernholt, S.; Prechtl, H.; Retelsdorf, J. (2015): Unterrichtssprache im Fachunterricht. Härtig, H., Bernholt, S., Retelsdorf, J. Unterrichtssprache im Fachunterricht. In: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, S. 1–13.
- Prediger, S. (2013): Darstellungen, Register und mentale Konstruktionen von Bedeutungen und Beziehungen - Mathematikspezifische sprachliche Herausforderungen identifizieren und überwinden. In: Becker-Mrotzek, M. (Hg.): Sprache im Fach. Sprachlichkeit und fachliches Lernen. Münster, S. 167–183.
- Prediger, S. (2015): Wortfelder und Formulierungsvariation - Intelligente Spracharbeit ohne Erziehung zur Oberflächlichkeit. In: Lernchancen, 18(104), S. 10–14.
- Reusser, K.; Pauli, C.; Elmer, A. (2011): Berufsbezogene Überzeugungen von Lehrerinnen und Lehrern. In: Terhart, E.; Bennewitz, H.; Rothland, M. (Hg.): Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf. Münster, S. 478-495.
- Tajmel, T. (2013): Bildungssprache im Fach Physik. In: Gogolin, I.; Lange, I.; Michel, U.; Reich H. H. (Hg.): Herausforderung Bildungssprache - und wie man sie meistert. Münster, S. 239–256.
- Witzel, A. (2000): Das problemzentrierte Interview. In: Forum Qualitative Sozialforschung/Forum Qualitative Social Research On-Line-Journal 1, 1.Jg, http://www. qualitative-research.net/fqs-texte-1-00/1-00witzel-d.htm, 21.07.2016.