Wie laufen eigentlich Mentoringgespräche zum Englischunterricht ab?
6. Februar 2022
Die ProfaLe-Doktorandin Inga Püster untersuchte Mentoringgespräche zum Englischunterricht in den Praxisphasen der Lehramtsausbildung. Demnach können vier verschiedene Typen unterschieden werden. Zwei Typen hält sie für problematisch.
Wie sprechen Praktikant*innen und ihre schulischen Mentor*innen gemeinsam über Englischunterricht? Welche Wissensbestände bringen sie in Mentoringgespräche ein? Und wie setzen sie diese zu denen der anderen Gesprächsteilnehmer*innen in Relation?
Diesen Fragen geht die Dissertation von Inga Püster auf der Basis von 26 audiographierten Vor- und Nachbesprechungen von Englischunterricht nach. Die rekonstruktive Studie generiert erstmals Erkenntnisse bezüglich fremdsprachendidaktischer Professionalisierungsprozesse Studierender in Mentoringgesprächen in der zweiphasigen Lehrer*innenbildung in Deutschland. Dabei werden vier Typen rekonstruiert, anhand derer professionalisierungsförderliche sowie -hinderliche Praktiken diskutiert werden. Letztlich erweist sich die Frage als zentral, ob Normen als verhandelbar oder als feststehend konzeptualisiert werden.
Im Rahmen der Veröffentlichung ihrer Studie haben wir Dr. Inga Püster zum Gespräch eingeladen.
Frau Dr. Püster, was hat Sie zu dieser Promotion bewegt?
Ich wollte eigentlich schon immer an der Uni arbeiten und forschen. Nach dem Referendariat war ich zunächst in Nordrhein-Westfalen in der Lehrer*innenbildung tätig. Ich gestaltete unter anderem Seminare für Englischstudierende im damals neu eingerichteten Praxissemester. Dabei fiel mir auf, wie entscheidend die Zusammenarbeit mit den Mentor*innen an den Schulen für die Studis war. Ich fing an mich auf einer theoretischen Ebene dafür zu interessieren, wie man eigentlich Lehrer*in wird. Mein Interesse an der Professionsforschung war geweckt. An der Uni Hamburg hatte ich dann die Gelegenheit, dieses Anfangsinteresse weiter auf das Fach Englisch zuzuspitzen. Ich wollte herausfinden, was eigentlich wirklich in diesen allseits beliebten Praktika passiert, wenn Studierende und Mentor*innen gemeinsam Englischunterricht besprechen.
Welche Bedeutung haben Mentoringgespräche in Bezug auf das Professionalsierungspotenzial von Praxisphasen?
Mentoringgespräche stellen eine zentrale Lerngelegenheit in Praxisphasen dar. Bei der Sichtung des Forschungsstands fiel mir auf, wie wenig eigentlich über die darin ablaufenden Prozesse bekannt war, vielleicht auch, weil die Erhebung und Analyse von Gesprächsdaten relativ aufwändig ist. In meiner Arbeit habe ich herausgefunden, dass in Mentoringgesprächen manchmal sogar problematische Sichtweisen auf Unterricht gefestigt oder erlernt werden. Es gibt aus professionstheoretischer und aus fachdidaktischer Sicht förderliche, aber auch hinderliche Typen von Mentoringgesprächen. Man kann also nicht per se sagen, dass Mentoringgespräche Studierenden helfen, sich zu professionalisieren...
Das führt uns zum zentralen Ergebnis Ihrer Arbeit: Sie haben vier verschiedene Typen von Mentoringgesprächen unterschieden. Welche Typen sind das und wo liegen die Unterschiede?
Typ I war für mich der überraschendste. Dieser betrachtet die Gespräche als eine Art Generalprobe für das Referendariat, obwohl das Unterrichten im Praktikum von den Curriculumsmacher*innen ausdrücklich als wertungsfreier Raum konzipiert wurde. Für diesen Typ kommt es darauf an, dass die Praktikant*innen beim Unterrichten nichts ‚falsch machen‘, um keine Kritik zu ernten. Das führt dann wieder dazu, dass sie im Unterricht keine Risiken eingehen und alles ganz genau lenken wollen. Dieser Typ versucht außerdem, sprachliche Fehler auf Seiten der Schüler*innen zu vermeiden. Aus fremdsprachendidaktischer Sicht ist das aber höchst problematisch, denn wir wissen, dass es für den Spracherwerb enorm wichtig ist, Fehler zu machen, damit man die eigenen Annahmen über die Fremdsprache überprüfen und wenn nötig anpassen kann.
Für Typ II geht es hauptsächlich darum, im Lehrbuch voranzukommen. Dieses Problem für den Fremdsprachenunterricht wurde bereits in anderen Studien diskutiert, jetzt aber zum ersten Mal im Kontext der Mentoringforschung.
Typ III und Typ IV hingegen schneiden in der Diskussion deutlich besser ab. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Normen bei diesen beiden Typen verhandelbar sind, bei den Typen I und II hingegen nicht. Bei Typ IV sind Mentoringgespräche ein Ort des gemeinsamen Abwägens mit Blick auf den Spracherwerb der Schüler*innen. Es gilt nicht eine bestimmte Art des Unterrichtens als gesetzt, sondern es wird gemeinsam überlegt, was funktioniert und warum. Spannend an Typ III ist, dass die Gültigkeit von Normen bei diesem Typ nicht nur im Hinblick auf die Praxis der Praktikant*innen, sondern auch auf die der Mentor*innen diskutiert wird. Mentoringgespräche sind für diesen Typ ein Ort des Hinterfragens von Routinen.
Welche Implikationen für die Gestaltung von Mentoring konnten Sie ableiten?
Ich komme zu dem Schluss, dass Studierende und Mentor*innen für die Bedeutung von Normen für das unterrichtliche Handeln sensibilisiert werden sollten. Wenn wir nicht in die sogenannte Tradierungsfalle tappen wollen, darf es in Mentoringgesprächen nicht bei einem „Das macht man eben so und so“ bleiben. Einen möglichen Weg dahin sehe ich in der Fallarbeit: Mentor*innen und Studierende diskutieren anhand von Transkripten, was sie unter gelungenen Gesprächen verstehen und warum. In puncto Mentorenfortbildungen leite ich die Forderung ab, nicht nur Gesprächsstrategien zu vermitteln, sondern auch die institutionellen Rahmenbedingungen zu thematisieren, weil diese in normativer Hinsicht sehr prägend sind.
Zur Person
Dr. Inga Püster arbeitete an der Universität Hamburg von 2015 – 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt ProfaLe im Handlungsfeld „Phasenübergreifende Kooperation“, in dem die Dissertation entstand.
Weitere Informationen zur Dissertation von Inga Püster finden Sie hier.